Seit meiner Kindheit übte dieses seltsame Waldstück im Neandertal bei Erkrath eine ungeheure Faszination auf mich aus. Hinter den Bäumen blitzen Chrom und patinierte Karosserien. Ein Ort, an dem Autos um Autos darauf warten, von der Natur zurückerobert zu werden. Ich habe den Autofriedhof nie betreten, aber die Motive, die von außen eingefangenen Eindrücke – sie erzählen eine ganz eigene Geschichte. Was für andere einen traurigen Charme hat, ist für mich eine Einladung: über das Altwerden, Überdauern und Vergehen von Technik nachzudenken.
Der Gang am 12. Februar 2014 durch das Neandertal war begleitet von diesem eigenartigen Licht, das nur ein aufbrechender Winter bieten kann: Der Boden feucht, die Bäume kahl, feiner Dunst in der Luft. Von außen fotografiert, gerieten die Fahrzeuge zwischen die Schatten der Stämme – einige unter Moos fast nicht mehr zu erkennen. Die Farben der alten Lacke verlieren sich im Spiel von Licht und Rost. Metallisch-kalter Duft vermischt sich mit nassem Laub. Keine Motorengeräusche, stattdessen das Knacken von Ästen und entferntes Vogelgezwitscher – alles begleitet von einer fast respektvollen Stille.
An diesem Tag lag die Temperatur bei etwa 13 Grad, trocken und frühjahrsmild. Trotz der Bedeutung des Tages gab es keine besonderen Weltereignisse – nur diesen einen, persönlichen Rundgang, gestellt zwischen Kindheitserinnerung, fotografischem Jagdinstinkt und stiller Ehrfurcht vor der Vergänglichkeit.
Wer hierherkommt, braucht Ruhe: Kein Zutritt ohne Erlaubnis, Respekt vor dem privaten Eigentum ist selbstverständlich. Der Friedhof bleibt eine stille Einladung, nicht für einen schnellen Blick, sondern für durchdachte Bildkompositionen. Die Fahrzeuge stellen sich nicht zur Schau, sondern sind Teil einer ewigen Szenerie.
Geschichte
Entstehung
Michael Fröhlich, Autohändler, Designer und Lebemann, schenkte sich 2000 zum fünfzigsten Geburtstag keine Party, sondern ein Monument. 50 Oldtimer, Baujahr 1950 – alle sollten in einem Stück Wald im Neandertal gesammelt und bewusst dem Verfall preisgegeben werden. Inspiriert von einem Bildband über wild gewordene Autos und von Kindheitsbegeisterung für Vergänglichkeit entstand so eine weltweit einmalige Kollektion.
Vergangenheit
Die Fahrzeuge – darunter Raritäten wie Porsche 356, Rolls-Royce Silver Wraith, Jaguar XK 120, Mercedes, Citroën und US-Klassiker – waren 2000 noch restauriert und fahrbereit. In den folgenden Jahren wurden sie nach allen Regeln des natürlichen Verschleißes Wind, Wetter, Laub und Tieren überlassen. Damit nicht genug: Fröhlich beschleunigte teils den Zerfall mit Milch und Salzwasser, ließ Bäume durch Karosserien wachsen und verankerte so Zeitgeschichte fest im Waldboden.
Zur Zeit des Besuchs
Im Februar 2014 war der größte Teil der Fahrzeuge bereits eng mit der Vegetation verwoben: Türen offen, Innenräume ausgebleicht, Reifen platt, Scheiben blind. Die einst glänzenden Lacke zeigen moosbedeckte Flächen, und manche Modelle sind kaum mehr zu erkennen. Rost, abgeplatzter Lack, organische Verschnörkelungen – mitten im Stillstand verändert sich jede Karosserie täglich ein bisschen weiter.
Gegenwart
Heute gilt der Autofriedhof sogar als Kunstprojekt: Er ist sonntags für die Öffentlichkeit zugänglich, gegen Eintritt und – bei Fotowunsch – gegen eine gesonderte Gebühr. Die Sammlung ist längst fester Bestandteil der Neandertal-Route. Stimmen und Medienberichte schwanken zwischen Faszination, Kopfschütteln und versteckter Bewunderung.
Geplantes für die Zukunft
Ein explizites Enddatum gibt es nicht. Die Autos werden weiter der Witterung und dem Wachstum der Natur überlassen. Der Park bleibt in den Händen von Michael Fröhlich und ist bis auf Weiteres Teil der lokalen Kulturlandschaft – Zeitkapsel, Mahnmal und Skulptur in einem.
Bedeutung im größeren Zusammenhang
Der Autofriedhof fragt, was von Technik und Träumen bleibt. Auch kulturell ist er einzigartig: Als Kunstprojekt, als Denkmal für die Mobilität der Nachkriegszeit und als Gegenbild zur sterilen Museumsästhetik. In einer Zeit, die auf Konservierung und „Neuwert“ setzt, zeigt Fröhlich das Altern als Kunstform – voller Würde und Melancholie.
Informative Fakten
- Sammlung: 50 Oldtimer, alle Baujahr 1950; u. a. Porsche 356, Rolls-Royce Silver Wraith, Jaguar XK 120 (Wert heute rund 150.000 €), Mercedes 170V, Citroën 11 CV, Buick, US-Cars, russische und britische Marken.
- Exponate: Zusätzlich zu Autos gibt es ein Flugzeug, Roller, Motorräder, eine Pferdekutsche, britische Telefonzelle, Gartenzwerge, Teile der Berliner Mauer.
- Zustand: Verfall gewollt und regelmäßig „beschleunigt“ (Milch und Salzwasser aufgetragen). Viele Fahrzeuge wurden von Baumwurzeln durchdrungen oder in der Mitte geöffnet, um das Wachstum zu betonen.
- Größe: Das Areal erstreckt sich über ca. 20.000 m² Privatwald.
- Besonderheiten: Offiziell nur sonntags von 13–16 Uhr gegen Eintrittsgeld zu besichtigen (10 € Eintritt, 20 € mit Fotoerlaubnis).
- Kuriositäten: Ursprünglich waren alle Fahrzeuge restauriert; jedes Einzelne ist ein Zeitzeuge. Leere Sektflaschen im Citroën 2CV erinnern angeblich noch an die große Eröffnungsparty mit über 1.000 Gästen.
- Atmosphäre: Keine Spuren von Vandalismus, reine Naturzerstörung.
Abschluss
Der kleine Autofriedhof im Neandertal ist keine Sehenswürdigkeit im klassischen Sinn, sondern ein Ort des Nachdenkens und Staunens. Ich habe ihn nie betreten, nur von außen eingefangen – und genau diese Distanz macht seinen Reiz aus. Die Autos warten nicht nur auf den nächsten Frühling, sondern auf das, was kommt: bis irgendwann nichts mehr bleibt als ein paar Fotos, Erinnerungen und verwitterte Karosserien im Dickicht.
Jede Rückkehr führt zu neuen Details, immer ist es ein Blick in die Vergangenheit und zugleich eine Lektion über Wandel und Vergänglichkeit.
Galerie
Quellen
- Eigene Fotodokumentation (12. Februar 2014)
- Michael Fröhlich, „Der kleine Autofriedhof“, Interview und Artikel (Spiegel Online, ruhr-guide.de, 2022/2019)
- Diverse Medienberichte, Blogs und Archivrecherchen zum Thema Oldtimer im Neandertal
Frisch ↔ Lange Verlassen
Einmal kurz durchwischen ↔ Morbider Charme
Vandalismus ↔ Natürlicher Verfall
Leere Räume ↔ Viel zu entdecken
Schöne Weitwinkelmotive
Detailaufnahmen
Außenaufnahmen
Persönliche Wertung
Views: 1599

Die aussagekräftigsten Bilder, die ich von diesem Ort gesehen habe. Kleine Anmerkung: Es ist kein VW Käfer, sondern ein Mercedes 170V.
Danke für das Lob und natürlich für die Info. 🙂