Ein Beobachtungsbericht aus dem Bergischen Land
Die Nacht des 27. Juli 2018 war eine dieser seltenen Nächte, in denen sich der Blick nach oben lohnt. Über Wuppertal spielte sich an diesem Freitagabend ein Schauspiel ab, das nur alle paar Jahrzehnte zu sehen ist: die längste totale Mondfinsternis des 21. Jahrhunderts. Mit 103 Minuten Totalität – das ist fast doppelt so lang wie sonst – war dieser Blutmond ein einmaliges Ereignis. Die nächste gleich lange Mondfinsternis wird erst im Jahr 2161 stattfinden. Wer also an diesem Abend draußen war und den Himmel beobachtete, hatte echtes Glück.
Eine Nacht voller Überraschungen
Als ich meine Kamera und das lange Teleobjektiv auf dem Stativ aufbaute, war mir klar: Das wird ein besonderer Abend. Die Mondfinsternis allein wäre schon genug gewesen. Aber das Universum hatte noch mehr zu bieten. Der Mars war an diesem Abend der Erde so nah wie seit 15 Jahren nicht mehr. Er leuchtete als heller orangeroter Punkt neben dem verfinsterten Mond. Und die Internationale Raumstation, die mit Alexander Gerst um die Erde kreist, würde in den nächsten Stunden zweimal über Deutschland hinwegfliegen.
Das Wetter war auf unserer Seite. Der Himmel über Wuppertal war weitgehend klar. Um 21:01 Uhr ging der Mond auf – aber er sah ganz anders aus als sonst. Normalerweise geht ein heller, silbrig-weißer Vollmond auf. Diesmal war er schon zur Hälfte verdunkelt und rötlich gefärbt. Das lag daran, dass er bereits im Schatten der Erde stand.
Die erste Aufnahme: 21:37 Uhr
Um 21:37 Uhr machte ich das erste Foto. Zu diesem Zeitpunkt war der Mond noch teilweise hell. Man konnte die Grenze zwischen dem hellen und dem dunklen Teil deutlich sehen. Der helle Bereich war noch sehr leuchtend, deshalb musste ich die Kamera schnell auslösen: 1/3200 Sekunde – das ist extrem kurz. Zum Vergleich: Ein normales Foto macht man oft mit 1/125 Sekunde. Aber der Mond war noch so hell, dass alles sonst überbelichtet gewesen wäre.
Was auf dem Bild zu sehen war, fand ich faszinierend: die dunklen Mondkrater und die helleren Flächen waren klar erkennbar. Die Grenze zwischen dem beleuchteten und dem verfinsterten Teil des Mondes war messerscharf.
Warum wird der Mond rot?
Viele Leute fragen sich: Warum wird der Mond bei einer Finsternis eigentlich rot? Die Antwort ist einfacher, als man denkt. Wenn die Erde zwischen Sonne und Mond steht, fällt der Schatten unseres Planeten auf den Mond. Aber der Mond wird nicht komplett schwarz – er leuchtet in einem tiefen Rot, fast wie eine glühende Kohle.
Das liegt an der Erdatmosphäre. Das Sonnenlicht, das die Erde streift, wird durch unsere Lufthülle gefiltert. Blaues Licht wird dabei stark abgelenkt und verstreut. Das rote Licht aber schafft es durch und erreicht den Mond. Deshalb leuchtet er während der Finsternis in diesem kupferroten Ton. Es ist derselbe Effekt, der auch einen Sonnenuntergang rot erscheinen lässt.
Die Mondfinsternis vom 27. Juli 2018 gehört zu einer besonderen Serie, die sich über 1.200 Jahre erstreckt. Astronomen nennen so etwas einen Saros-Zyklus. Unsere Mondfinsternis war die 38. in dieser Serie. Was sie so besonders machte: Der Mond stand genau richtig zur Erde, und die Geometrie passte perfekt. Deshalb dauerte die Finsternis so lang.
21:45 Uhr: Der Blutmond leuchtet
Um 21:45 Uhr erreichte die Finsternis ihren Höhepunkt. Der Mond war jetzt vollständig im Kernschatten der Erde – und er leuchtete in diesem tiefen, burgunderfarbenen Rot. Das sah wirklich spektakulär aus. Aber hier begann auch das Problem beim Fotografieren: Der verfinsterte Mond ist extrem dunkel. Etwa 10.000 Mal dunkler als ein normaler Vollmond.
Deshalb musste ich die Kameraeinstellungen komplett ändern. Die Belichtungszeit ging auf 10 Sekunden hoch – das ist eine Ewigkeit in der Fotografie. Die ISO-Empfindlichkeit stellte ich auf 800. Das war ein Risiko: Bei einem langen Teleobjektiv (600 Millimeter Brennweite) besteht die Gefahr, dass das Bild verwackelt oder unscharf wird. Zum Glück hatte mein Objektiv eine eingebaute Bildstabilisierung. Und ich hielt beim Auslösen den Atem an.
Das Ergebnis war beeindruckend. Der Mond leuchtete in einem tiefen Dunkelrot, und man konnte sogar noch die Mondkrater erkennen. Nicht so detailliert wie bei professionellen Astrofotografen mit ihrer Spezialausrüstung – aber für eine normale Kamera und ein Stativ war ich sehr zufrieden.
22:05 bis 22:20 Uhr: Der Mond wird wieder hell
Nach dem Höhepunkt begann der Mond langsam wieder heller zu werden. Er trat aus dem tiefsten Schatten heraus. Mit jeder Minute wurde er ein wenig leuchtender. Die Belichtungszeit konnte ich jetzt verkürzen: erst auf 0,4 Sekunden, später auf 1/8 Sekunde. Das ISO-Level blieb bei 800.
Auf den Bildern sah man jetzt einen Farbverlauf: Auf der einen Seite noch tiefes Rot, auf der anderen Seite heller werdendes Orange. Der Mond sah aus wie ein Feuerball, der langsam wieder zu seiner normalen Farbe zurückkehrt.
Der Mars und die Raumstation
Aber die Mondfinsternis war nicht das einzige Highlight dieser Nacht. Der Mars war ein weiteres Ereignis. Er stand in Opposition – das heißt, Sonne, Erde und Mars lagen auf einer Linie, mit der Erde in der Mitte. Das passiert nur alle zwei Jahre. Und 2018 war besonders: Der Mars war nur 57,59 Millionen Kilometer von uns entfernt. Das ist die kürzeste Distanz seit 2003. Mit einer Helligkeit von -2,8 war er deutlich am Himmel zu sehen – ein auffälliger orangeroter Punkt neben dem verfinsterten Mond.
Und dann war da noch die Internationale Raumstation. Sie flog in dieser Nacht zweimal über Deutschland. Der erste Überflug fand zwischen 22:31 und 22:37 Uhr statt – genau während der Finsternis. Der zweite war kurz nach Mitternacht um 00:07 Uhr. Mit bloßem Auge sieht die ISS aus wie ein heller, schnell bewegender Stern. Ich versuchte, sie mit meiner Kamera einzufangen, aber sie war zu schnell. Mit einem Teleobjektiv ist das Sichtfeld eng, und die Station war in Sekunden verschwunden.
Trotzdem war es ein besonderer Moment: Während ein uraltes kosmisches Ereignis über uns stattfand, flog gleichzeitig eine moderne Raumstation mit Menschen an Bord vorbei. Das machte mir wieder bewusst, wie weit die Menschheit gekommen ist – und wie klein wir im Vergleich zum Universum sind.
Die Technik hinter den Bildern
Meine Ausrüstung war keine Profi-Astrofotografie-Ausrüstung. Ich hatte eine Sony ILCA-99M2 – eine gute Kamera, aber keine spezialisierte Astro-Kamera. Dazu ein TAMRON-Teleobjektiv mit 150-600 Millimeter Zoom. Und ein einfaches, robustes Stativ. Keine motorisierte Nachführung, die dem Mond am Himmel folgt. Keine speziellen Filter. Einfach nur eine gute Kamera, Geduld und etwas Erfahrung.
Trotzdem war es möglich, diese Bilder zu machen. Wichtig war vor allem, die Einstellungen an die sich ändernden Lichtverhältnisse anzupassen. Am Anfang, als der Mond noch hell war, brauchte ich eine sehr kurze Belichtungszeit. In der Mitte, beim dunklen Blutmond, musste ich lange belichten. Und beim Austritt aus dem Schatten ging es wieder zurück zu mittleren Einstellungen.
Das ist keine professionelle Astrofotografie. Aber es ist leidenschaftliche Hobbyfotografie – und genau das macht es authentisch.
Wuppertal und die Lichtverschmutzung
Wuppertal liegt im Bergischen Land, nicht weit vom Ruhrgebiet entfernt. Die Lichtverschmutzung hier ist ziemlich stark. Wenn man nachts nach oben schaut, sieht man kaum Sterne. Das liegt an den vielen Straßenlaternen, Gebäudelichtern und anderen künstlichen Lichtquellen.
Aber bei einer Mondfinsternis ist das kein großes Problem. Der Mond ist hell genug, um trotz Lichtverschmutzung gut sichtbar zu sein. Trotzdem war der Kontrast interessant: Der verfinsterte Mond ragte aus dem lichtverschmutzten Himmel heraus, während um ihn herum kaum Sterne zu sehen waren. Ein kosmisches Ereignis direkt über einer hell erleuchteten Stadt.
Ein Erlebnis für alle
Die längste totale Mondfinsternis des 21. Jahrhunderts war nicht nur ein seltenes Ereignis – sie war auch ein Ereignis für alle. Millionen Menschen weltweit schauten in dieser Nacht nach oben. In Deutschland strömten die Leute zu Sternwarten, auf Parkplätze und auf freie Wiesen. Es gab öffentliche Beobachtungsveranstaltungen. Für einen Moment verbanden sich alle Menschen durch diesen gemeinsamen Blick nach oben.
Das Fotografieren war der technische Teil. Aber das eigentliche Erlebnis war etwas anderes: Es war die stille Faszination, das Staunen über das Universum, das Verständnis dafür, wie präzise alles funktioniert. Und die Erkenntnis, dass solche Ereignisse selten und wertvoll sind.
Wer in dieser Nacht draußen war und den Blutmond gesehen hat, wird sich noch lange daran erinnern. Und wer die Chance verpasst hat: Die nächste totale Mondfinsternis, die in Deutschland gut zu sehen ist, kommt bestimmt – auch wenn sie vielleicht nicht ganz so lang dauern wird.
Quellen meiner Informationen
Wissenschaftliche Publikationen & Institutionen
- Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR): „Längste totale Mondfinsternis des 21. Jahrhunderts” – Pressemitteilung vom 19. Juli 2018 – https://www.dlr.de/
- Wikipedia: „Mondfinsternis vom 27. Juli 2018″ – Publikationsdatum: 30. Juli 2018 – https://de.wikipedia.org/wiki/Mondfinsternis_vom_27._Juli_2018
- Haus der Astronomie (Heidelberg): „Öffentliche Beobachtung: Totale Mondfinsternis 2018″ – Publikationsdatum: 26. Juli 2018 – https://www.haus-der-astronomie.de/
- NASA Eclipse Catalog: „Catalog of Lunar Eclipses in Saros 129″ – https://eclipse.gsfc.nasa.gov/
- TimeAndDate: „27. Juli 2018 Totale Mondfinsternis in Heidelberg, Baden-Württemberg, Deutschland” – https://www.timeanddate.de/
Astronomische Hintergrundinformationen
- Spektrum der Wissenschaft: „27. Juli 2018: Roter Mond trifft roten Planeten” – Publikationsdatum: 26. Juli 2018 – https://www.spektrum.de/
- Sternfreunde Mühlheim: „Mondfinsternis und Mars in Erdnähe am 27. Juli 2018″ – Publikationsdatum: 18. Juni 2018 – https://www.sternfreunde.de/
- Schülerlabor Astronomie: „Die totale Mondfinsternis am 27. Juli 2018″ – Publikationsdatum: 26. Juli 2018 – https://www.schuelerlabor-astronomie.de/
Physikalische Grundlagen
- Heise Online / Missing Link: „Die Physik hinter dem ‚Blutmond'” – Publikationsdatum: 7. September 2025 – https://www.heise.de/
- ECCE Terram: „Blutmond: Mythos und Wissenschaft hinter dem seltenen astronomischen Phänomen” – Publikationsdatum: 24. April 2024 – https://www.ecce-terram.de/
- Wikipedia: „Mondfinsternis” – Artikel zur physikalischen Erklärung der Rayleigh-Streuung – https://de.wikipedia.org/wiki/Mondfinsternis
Beobachtungsberichte & lokale Perspektiven
- Starkenburg-Sternwarte: „Totale Mondfinsternis am 27.07.2018″ – Publikationsdatum: 28. Juli 2018 – https://www.starkenburg-sternwarte.de/
- YouTube: „Lunar Eclipse in Wuppertal (Germany) on July 27, 2018″ – Hochgeladen: 28. Juli 2018 – https://www.youtube.com/
- Tiefendeswaldes.wordpress.com: „Jetzt aber schnell – Blutmond 2018 über Wuppertal” – Publikationsdatum: 27. Juli 2018 – https://tiefendeswaldes.wordpress.com/
Astrofotografie-Referenzen
- PhotoScala: „Mondfinsternis fotografieren: So wird’s gemacht” – Publikationsdatum: 23. Juli 2018 – https://www.photoscala.de/
- Rollei: „Fotografie einer Mondfinsternis – die komplette Anleitung” – Publikationsdatum: 15. Juni 2022 – https://www.rollei.de/
- Blickgewinkelt: „Den Mond fotografieren: So geht’s!” – Publikationsdatum: 1. Januar 2021 – https://www.blickgewinkelt.de/
Eigene Beobachtungen
- Wuppertal, Deutschland – Beobachtung der totalen Mondfinsternis vom 27. Juli 2018 – Beobachtungszeit: 21:37–22:47 Uhr MESZ – Ausrüstung: Sony ILCA-99M2, TAMRON SP 150-600mm F/5-6.3 Di U, Stativ ohne Nachführung
- Photographische Dokumentation: 6 Einzelaufnahmen mit adaptiver Belichtungsstrategie je nach Finsternisphase
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